100 Jähriges Bestehen der AWO Penzberg- Geschichten unter dem Lindenbaum

Penzberg – Ihre Krone gleicht einer Pyramide, ihre Blätter ähneln grünen Herzen, ihre Blüten, weiß mit zarten Gelbtönen, duften intensiv und locken Bienen und Falter an: Eine Kaiserlinde hat nun ihren Platz in Penzberg gefunden. Sie soll an eine besondere Frau und an besondere Jahre erinnern.

Geschichten unterm Lindenbaum: Zum hundertjährigen Bestehen der AWO wurde von Elke Zehetner, Max von Heckel, Michael Asam, und Ute Frohwein-Sendl (von rechts) eine Linde gepflanzt.© me

In symbolträchtiger Umgebung hat der AWO-Ortsverein einen symbolträchtigen Baum gepflanzt, um die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, Maria Juchacz, zu ehren und zugleich sein hundertjähriges Bestehen zu feiern. „Die Kaiserlinde wächst 500 Jahre, bleibt 500 Jahre und geht 500 Jahre“, erläuterte die AWO-Ortsvorsitzende Ute Frohwein-Sendl. Zwischen dem Rollschuhplatz der Solidarität und der Josef-Boos-Sporthalle, flankiert vom Josef-Boos-Heim, das heute den Kindergarten und die Geschäftsstelle der AWO-Penzberg beheimatet, steht die junge Linde im Herzen der Aktivitäten des Vereins.

Bei wechselhaftem, aber schneefreiem Wetter traf sich eine kleine, aber engagierte Gruppe auf der Wiese, die der Bürgermeister-Prandl-Grundschule als Ausweichort für den Sportunterricht dient. Ute Frohwein-Sendl begrüßte neben ihrer Vorgängerin Friedl Patzer, Bürgermeisterin Elke Zehetner, den Kreisvorsitzenden Michael Asam und Max von Heckel, den zweiten Vorsitzenden des Ortsvereins München und Vorsitzenden der Thomas-Wimmer-Stiftung, auch zahlreiche Mitglieder, um gemeinsam den jungen Baum zu pflanzen. Eine Linde passe sehr gut zur Arbeiterwohlfahrt, erläuterte Frohwein-Sendl, denn sie stehe mit ihrer großen schützenden Krone für Liebe und Gerechtigkeit und gelte als weise Ratgeberin. „Und wenn da mal ein Ast abbricht, dann ist das auch kein Untergang“, ergänzte sie mit einem Augenzwinkern.

Der anschließende Festakt in der Stadthalle war auch das Ziel der diesjährigen Sternfahrt der AWO-Ortsvereine des Kreisverbandes Weilheim-Schongau, so dass der Saal gut gefüllt war mit Akteuren aktiven solidarischen Handelns aus Schongau, Peiting, Hohenpeißenberg, Peißenberg und Weilheim.

Am 19. Dezember 1919 rief Maria Juchacz in Berlin den „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt in der SPD“ ins Leben, um der großen Not nach dem Ersten Weltkrieg zu begegnen und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. So initiierte sie die Aufbereitung und Herstellung von Kleidung für die Kriegsversehrten in Heimarbeit, um den vielen alleinerziehenden Witwen die Möglichkeit zu schaffen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie war auch die erste Frau, die nach Einführung des passiven Wahlrechts eine Rede im Reichstag hielt. Im selben Jahr gründeten Centa Marx und Anna Rummer den AWO-Ortsverein in Penzberg. „Die Arbeiterwohlfahrt und die Stadt Penzberg haben seitdem eine Geschichte durchlebt, die eng miteinander verbunden war“, erinnerte Frohwein-Sendl in ihrer Ansprache. „Dabei stand die soziale Frage sehr oft im Mittelpunkt des Handelns.“

Und die soziale Frage hat an Aktualität nichts verloren. „Auch wenn es heute nicht mehr so offensichtlich scheint, so sind die Unterstützung Hilfsbedürftiger und die Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft in unserer globalisierten und vernetzten Welt unverändert von sehr großer Bedeutung“, sagte Elke Zehetner. Und Michael Asam merkte an: „Eigentlich wäre es schön, wenn wir keine Wohlfahrtsverbände mehr bräuchten.“ Doch trotz des Slogans vom „Sozialen Europa“ im aktuellen Europawahlkampf gebe es viele, die auf die Arbeit der AWO angewiesen seien. „Wir leben in einem Land, in dem die Millionäre und die Milliardäre ebenso mehr werden wie die Armen, die wirklich vom Zwanzigsten eines Monats an nur noch Nudeln mit Soße essen, weil sie kein Geld mehr für vernünftige Ernährung haben“, führte Max von Heckel aus. Ein Wohlfahrtsverband habe auch die Aufgabe, auf solche Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. „Die AWO war der Hauptgrund dafür, dass diejenigen, die durch den Rost gefallen sind, heute einen Rechtsanspruch auf die Hilfe haben“, so von Heckel. Vor diesem Hintergrund möchte er auch sein Vorgehen im Zusammenhang mit der Novita und dem Seniorenzentrum an der Gartenstraße verstanden wissen: „Wir wollen dieses Grundstück nicht nur für soziale Zwecke, nämlich den Betrieb eines Alten- und Seniorenheims nach den Vorstellungen der Stadt Penzberg führen, sondern selbstverständlich auch dieses Grundstück für soziale Zwecke in Zukunft erhalten.“

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde dann das Buch „Geschichten unterm Lindenbaum“ vorgestellt. Christine Eisenmann-Blümke hat darin Erlebnisse von AWO-Mitgliedern mit der Arbeiterwohlfahrt in Penzberg zusammengetragen. „Ich weiß noch gut, als die Christine das im Kreisvorstand vorgeschlagen hat. Da hab ich gedacht: Um Gottes Willen, was nimmt sich die da vor“, erinnerte sich Michael Asam. Und: „Ich hätte nie geglaubt, dass das so was Tolles wird“, lobte Asam und betonte, dass solche herausragenden Aktivitäten die besondere Qualität des Penzberger Ortsvereines unter Beweis stellten. „Das ist etwas, das in die Zukunft wirken und vor allem die AWO Penzberg lebendig halten wird“, zeigte sich Asam überzeugt.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Magistratsmusi, außerdem zeigten die Rollschuhläufer der Solidarität und die Jugendtanzgruppe der Trachtenvereine Birk‘nstoana und Loisachtaler Maxkron ihr Können. (Me)

Quelle: Das Gelbe Blatt Penzberg, 11.05.19